Die kältesten Winter.

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt 127. Jahrgang, Nr. 50, 10. Dezember 1933, S. 5-6

Der kalte Winter vor jetzt fünf Jahren ist uns allen noch in recht unfreundlicher Erinnerung, und uns überläuft ein gelindes Gruseln, wenn manche Wetterpropheten uns glauben machen wollen, daß der Winter, der uns bevorsteht, nicht minder kalt sein werde, hätten doch die Käfer sich ungewohnt tief in die Erde eingegraben, was sie nur vor einem sehr kalten Winter tun. Kostproben haben wir in diesen Tagen so schon bekommen. An sich ist aber nicht anzunehmen, daß wir schon jetzt wieder einen sibirischen Winter zu fürchten haben, denn die Abstände, in denen solche Naturereignisse einzutreten pflegen, sind meist größer. Sehr kalte Winter waren nach den Chroniken die der Jahre 1407, 1513 und 1555. Im Jahre 1740 sank das Thermometer an manchen Orten auf 75 Grad Celsius unter Null. In Berlin hielt diese barbarische Kälte sechzehn Wochen an. Menschen und Tiere erfroren auf den Straßen, und im Hause war es so kalt, daß das Bier in den Krügen fror. Die Erde war so hart, daß man die Toten nicht begraben konnte, und noch im Mai waren die Felder vereist. Dieser Winter 1740 dürfte der kälteste gewesen sein, von dem man überhaupt weiß. Den sehr kalten Wintern stehen auffallend milde Winter gegenüber. Im Jahre 1186 hatte man in ganz Europa überhaupt keinen Frost, die Obstbäume trugen zum zweitenmal Frucht, Veilchen und andere Blumen blühten im Dezember und alles war wie verzaubert. Die Folge aber waren Mißernte und Hungersnot. Im Jahre 1229 gab es keinen Schnee, im März 1241 reiften schon die Kirschen, in den Wintern 1287 und 1538 konnte man im Dezember und Januar die herrlichsten Blumensträuße pflücken. Im Januar 1804 war es so warm, daß die Insekten aus dem Winterschlaf erwachten und im Sonnenschein umhertanzten. Im Jahre 1807 fiel der Winter tatsächlich aus, in den Jahren 1816 und 1834 folgte auf den Herbst unmittelbar der Frühling und die Frauen brauchten die Sommerkleider gar nicht abzulegen. Auch bei den Sommern finden wir oft Extreme in bezug auf die Hitze. Im Jahre 1132 herrschte eine solche Hitze, daß an manchen Stellen der Erdboden barst und sich mächtige Risse bildeten. Der Rhein war im Austrocknen. 1152 war es so heiß, daß man im Sande Eier kochen konnte und 1303 konnte man trockenen Fußes durch die Donau gehen. Im Jahre 1556 hatte die übergroße Hitze und Trockenheit eine Hungersnot zur Folge und im Jahre 1718 fiel von April bis Oktober kein Regen. Was also wird uns der Winter 1933/34 bringen?