Die Schlettauer Friedhofslinden mit dem Weltkriegs-Ehrenmal.

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 25, 20. Juni 1926, S. 5

Unter den alten ehrwürdigen Linden auf dem Schlettauer Friedhof ist vor einigen Jahren ein Andachtsplatz geschaffen worden, der durch die beiden mächtigen Bäume und die weitausladenden Äste und Zweige die Stimmung eines Naturdomes erhält. Als im vorigen Jahre dort an dieser Stelle die Johannisfeier gehalten wurde und das Rotgold der scheidenden Abendsonne durch das Blätterdach spielte, da stand man unter dem Eindruck eines gewaltigen inneren Erlebens, der noch erhöht wurde durch die Gedanken und Gefühle, die der Anblick des wuchtigen Ehrenmals erweckt, das unter den Linden durch die Meisterhand unsers Fritz Manhenke geschaffen wurde. Das Denkmal stellt einen reckigen Eichenstamm dar, der durch die Stürme der Zeit gebrochen ist. Ein starker Ast vom Baume ist kreuzweis durch ein Schiffstau mit dem Baumstumpf verbunden, an dem auf der einen Seite die Worte stehen: „In schwerer Zeit”, auf der anderen aber in kühnen Schriftzeichen: „Euch” 1914 — 1918. Das Wurzelwerk des Eichenstammes aber ist in dem felsigen Grunde fest verankert und läßt die Hoffnung aufkommen, daß der eichenstamm frische Kräfte aus dem Boden saugen wird, die den Baum zu neuem Wachstum und neuer Blüte anregen werden. Jedenfalls ist der Ideengehalt des Ehrenmals aus feinem künstlerischen Empfinden hervorgegangen, genau so wie das mächtige Ehrenmal in Geyersdorf, das ebenfalls Fr. Manhenke-Schlettau zum Schöpfer hat. Die geräumige Bergkanzel, auf der die Schlettauer Friedhofslinden und das Ehrenmal stehen, stützt sich auf einen kühnen Wackenaufbau, der durch Immergrün und Farnkraut belebt ist, und der Vorplatz hat neuerdings schmucke gärtnerische Anlagen bekommen, so daß wir hier ein stimmungsvolles Friedhofsidyll vor uns haben.

Th.