Mit den Augen des Chronisten durch das Obererzgebirge.

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 14, 4. April 1926, S. 7

Christian Lehmanns 1699 im Druck erschienenen „Historischen Schauplatz der natürlichen Merkwürdigkeiten in dem Meißnischen Ober-Erzgebirge” nacherzählt.

(Fortsetzung.)

So schildert er, wie weit die Augen zu schauen vermögen, wie die Ohren das Brausen der Wälder, das Musizieren der Vögel u8nd das Getöne der Arbeiter vernehmen, wie man der Trommeln, Glöcken und Pfeifen Schall bei Kirchweihfesten hört, wie aber auch die Trompeten und der Pauken Spiel der in und aus Böhmen marschierenden Kriegsvölker, Tumult und Schießen oft schrecklich in die Ohren gellt. Den Geruch ergötzen die Düfte heilsamer Kräuter und der Geschmack darf sich an Erdbeeren und Haselnüssen ein Gutes tun. Das ist der Berg, an welchem das im Jahre 1566 vom Bärenstein gefangene Wasser im Floßgraben eine ganze Wegmeile lang wunderlich, wie es scheint, bergan läuft und das geflößte Holz über der Stadt auswirft.

Nach Erläuterungen Lehmann’s sind: 1. Kurfürstliches Zollhaus: Jächhausel, 2. Bärenstein, 3. Weipert, 4. Böhmisches Gebirge (Spitzberg), 5. Eisenberg, 6. Fichtelberg, 7. Neudorfer Gegend, 10. Walthersdorf, 11. Crottendorf, 12. Weg nach Cranzahl, 13. Weg nach Crottendorf.

Mit Lehmann auf dem Scheibenberg weiter schreitend, bietet sich (B) der Haßberg, Bärenstein, Spitzberg, Eisenberg und Fichtelberg am Horizont, Walthersdorf und Crottendorf im Vordergrunde. Dazwischen liegen ausgedehnte Wälder.

*

Der Kröhezahler oder Kühberg, wie nach Lehmann der Bärenstein eigentlich heißen mußte, nach dem das Dorf Cranzahl seinen Namen erhalten habe, wird als kahler Berg geschildert, an dessen Fuße junge Buchen wachsen, die von Ziegen so abgefressen worden sind, als ob sie ein Gärtner mit seiner Schere zugestutzt habe. Noch Anfang des 16. Jahrhunderts war der Bärenstein dicht bewaldet, bis 1540 ein furchtbarer Brand ihm seinen grünen Schmuck raubte. Lehmann gibt die Übersetzung eines lateinischen Gedichtes: Carmen de Annaberga von Michael Barth, in welchem die betreffende Stelle lautet:

So trägt das Haupt empor der Berg von Pil genennet /
Dem gegenüber sich ein wilder Bruder zeigt /
Und zwar an Größe nicht / doch an der Höhe gleicht
Der rauhe Bärenstein / der fast die Wolken trennet.
Die Form ist gleich gefaßt an beyden in der Runde /
Es prangt des Bären Kopff im grünen Krantz umher /
Und hat von Bäumen der / von Felsen jener mehr /
Das jedem trefflich wohl zu meiner Zeit anstunde
Von unten war er kahl / vom Halß bis an die Ohren
Weil ihm nur jüngst der Brand die Bauer-Kolb gemacht /
Und um sein langes Haar des Köhlers Axt gebracht /
Schad‘ ist’s um ihn / daß er den Fichten-Schmuck verloren.

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Im Mittel des Schwartzwalds / der sich durch Teutschland ziehet /
Um dessen Berg und Thal sich Roß und Mann bemühet /
Erhebt der Fichtelberg das Haupt bi? Himmel-an /
Daß man gar weit und breit die Hörner sehen kan,

schreibt Conradus Celtes aus Franken († 1504) in seinem Carmine de Sylva Hercynia. Ihn zitiert Lehmann und gibt in längeren Ausführungen seine Ansicht wieder, ob sich diese Stelle auf das Fichtelgebirge (Egrischen Fichtelberg) oder auf unseren Fichtelberg bezieht.

Die Hörner faßt Lehmann als den vorderen und hinteren Fichtelberge auf. Seine Lage an der Joachimsthaler Straße, an welcher die Rainsteine stehen, die den Unterschied des Landes zeigen, macht ihn zum Markstein zwischen Böhmen und Meißen. Seine Höhe verursache, daß er meistenteils wild und ungestüm ist, selten ohne Nebel und Wolken, daher sei er ein rechter Wetterhahn des ganzen Obererzgebirges, nach dem man gutes und schlechtes Wetter mutmaße. In seinen Schluchten liege der Schnee den halben Sommer hindurch, halte wohl auch dort bis zum nächsten Jahre aus. Lehmann hat sich erzählen lassen, daß man den Fichtelberg von Zeitz aus und vom Weißen Berg bei Prag sehen könne und man anderseits vom Fichtelberg aus bei klarem Wetter Saaz, Leitmeritz, sogar das Weiße Schloß bei Prag und nach Norden fast bis Halle sehen könne.

Die Rauhigkeit des Fichtelberges schildert Lehmann eingehend. Es wolle ohne mühsame Wasserleitung und Düngung nicht einmal der Hafer reifen, alles bleibt niedrig an Halm und kleinkörnig. Sturm und Frost läßt auch die Bäume nicht hochwachsen, sie werden gedrückt, geknehrt, müssen versauern und erhalten durch den ständigen Nordostwind ein rauhes, struppiges und höckeriges Aussehen. Man erzählt sich, daß vor hundert Jahren von den Schönburg’schen Herren ein Lust- und Jagdhaus dort gestanden habe, davon sei jedoch nichts mehr zu finden, weil es so wenig Ergötzlichkeit habe bieten können.

(Schluß folgt.)