Mit den Augen des Chronisten durch das Obererzgebirge.

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 13, 28. März 1926, S. 7

Christian Lehmanns 1699 im Druck erschienenen „Historischen Schauplatz der natürlichen Merkwürdigkeiten in dem Meißnischen Ober-Erzgebirge” nacherzählt.

Christian Lehmann,
weiland Pfarrer in Scheibenberg

Christian Lehmann ist der klassische Chronist unseres Erzgebirges. In Königswalde als Pfarrerssohn geboren, wurde er nach vollendeten Studium 1633 Pfarrsubstitut seines inzwischen in Elterlein amtierenden Vaters; und 1638 Pfarrer in Scheibenberg, wo er nach 50jähriger Amtszeit 1688 verstarb. Die Familie Lehmann stammt aus Freiberg. Schon Christians Urgroßvater, der Bürger und Bäcker in Mittweida war, kam nach Annaberg, wo sein Großvater 1545 geboren wurde und später als Ratsherr und Bürgermeister ein hochangesehener Mann war. Lehmanns Vater, 1581 in Annaberg geboren, war Pfarrer in Königswalde und Elterlein. Sein und des Sohnes Leben fällt in die Zeit des 30jährigen Krieges und war voll schwerer Erlebnisse, die Christian Lehmann in seiner „Kriegschronik” ausführlich beschrieben hat.

Als Kind unserer Berge aufgewachsen und von Eltern stammend, die hier schon in der dritten Generation heimisch waren, ist Christian Lehmann ein vorzüglicher Kenner seiner Heimat gewesen, der mit offenen Augen durch das Leben ging und seine Beobachtungen in dem 1699 von seinen Kindern in Druck gegebenen Buche: „Historischer Schauplatz der natürlichen Merkwürdigkeiten in dem Meißnischen Ober-Erzgebirge” niedergelegt hat und dort auch aufzeichnete, was er von seinen Vorfahren und älteren Mitmenschen über das Bergland gehört hatte.

Und so können wir uns keinen besseren Führer durch die Vergangenheit unserer engeren Heimat wählen, als Christian Lehmann, des treuesten einer auch unseres Erzgebirges. Folgen wir ihm heute auf den Berg seiner Amtsstadt, den Scheibenberg, und sehen wir mit seinen Augen einmal das Obererzgebirge, wie es damals aussah und wie es bildlich in den Illustrationen seines Werkes erhalten geblieben ist, die hier in genauer Größe wiedergegeben sind.

*

Vom Scheibenberg selbst erzählt uns Lehmann, daß er seinen Namen wohl von dem alten Dorf Scheibe, nach welchem auch die Stadt benannt sei, führe. Zu seiner Zeit ist der Berg eine willkommene Zufluchtsstätte nicht nur für Dachse und Füchse, sondern auch für die Einwohner der Umgebung mit ihrem Hab und Gut gewesen, wenn die wilden Kriegshorden das Land sengend und brennend durchzogen. So hatte man auf ihm auch einen Beobachtungsposten aufgestellt, der als Zeichen naher Gefahr eine Stange mit einem Strohwisch umlegte. Man hörte auf eine Wegemeile die Glocken läuten und die Trommeln schlagen. Die Aussicht vom Berge war, wovon wir uns heute noch überzeugen können, umfassend.

Wiedergabe aus Christian Lehmann’s „Schauplatz”.

Wir sehen über den Wald, der sicher dichter und undurchdringlicher war, als er sich in dem Bilde A zeigt, über Schlettau (11), Dörfel (10) bis nach Heinzebank (2) bei Marienberg, Großrückerswalde (3), den Kirchturm (4) und den Galgen von Annaberg, sowie den unbewaldeten Pöhlberg (5), Kleinrückerswalde (6) und Walthersdorf (12).

*

Den Umfang vom Pöhlberg beschreibt Lehmann auf dem Plateau mit 1200 x 250 Doppelschritten, so daß das ganze Bergstädtlein Scheibenberg darauf liegen könne. „Er liegt jedem im Gesicht als eine Landeskrone und ziert das umliegende Gebirge wie eine Rose den Kranz oder der Knopf den Kirchturm”.

Vom „Pilberg”, dessen unendliche Reize erst unsere Generation wieder neu entdeckte, schwärmt der Chronist geradezu, als von einer Augen- und Sinnesweide.

(Fortsetzung folgt.)