Mit offenen Augen durch die Heimat

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt Nr. 41, 134. Jahrgang, 20.10.1940, S. 1.

Dörfel, ein schlichtes Dörfchen.

So recht der Typ des traulichen über den Hang hinziehenden Dörfchens ist … Dörfel, klein, nur 440 Einwohner zählend und 517 Hektar Areal umfassend, auf dem von den landwirtschaftlichen Betrieben weitaus der größte Teil Erbhöfe sind (23 von 35). Das außer Kraft gesetzte Gemeindesiegel zeigte ein Lamm mit Fahne. Über eine Chronik verfügt das Dorf nicht. Halbwegs zwischen Tannenberg und Schlettau stößt die Gemarkung Dörfels ins Zschopautal herab. Daß sich in diesem wundervolle Winkel bildeten und lauschige Ruheplätzchen nach langer Wanderung aufgetan haben, reizt förmlich zu einem Gang durchs Tal nach dem Dörfchen Dörfel. Sein in drei Teilen vorhandener eigner Wald bedeckt fast 43 Hektar Fläche. Wirtschaftlich ist die kleine Siedlung nach Annaberg orientiert. Wichtig für Dörfel ist der KVG-Anschluß bergwärts nach Schlettau und Crottendorf, nordwärts aber nach Geyer und Chemnitz. Die wenige Industrie am Orte beschäftigt nur eine geringe Zahl von Arbeitskräften. Dafür schaffen etwa 70 auswärts, in Annaberg, Buchholz, Geyer, Schlettau und Tannenberg. Die Schule liegt bei 630 Meter Höhe gerade in der Ortsmitte, während die Höhenmarke an der Zschopau drunten 523 Meter anzeigt. Das Gemeindeamtsgebäude ist 1926/27 errichtet, das Weltkriegsdenkmal 1929/30. 1936 waren KdF-Urlauber aus Schlesien in Dörfel, die nach frohen Stunden recht ungern wieder nach Hause gefahren sind.

Gemeindeamt
Das am 29. Januar 1927 eingeweihte Rathaus in Dörfel. (Archivbild des IES)

Als wir auf der Talstraße nach Schlettau weiterwandern, stört uns das harte Knacken eines Steinbeißers im Steinbruch des Dörfeler Erbgerichts. Dann aber wird´s ganz still. Die Sprache der Flußwellen ist leise. In den Wipfeln der Straßenbäume raunt der Wind. Stumm und dunkelgrün steht der Nadelwald. Äcker strömen starken Erdgeruch aus. Aus dem Straßengraben lächelt der Kilometerstein mit weißem Gesicht und über die Kartoffelfelder gehen erntende Menschen. Hoch droben am Himmel ziehen weiße Wolkenballen wie langsame Schwäne … Das ist so recht die Talstimmung, die uns im Gedenken das kleine liebe Dörfel noch einmal recht innig erleben läßt!

J. B.

700 jähriges Hermannsdorf.

Dicht hinter dem Ortsschild hält uns die Talmühle ihren breiten Fachwerkgiebel entgegen. Als Reihendorf zieht sichs am Hang hoch, eine anheimelnde erzgebirgische Siedlung, die uns manches freundliche Erleben schenkt, wenn wir sie offenen Auges durchschreiten. Gewiß, sie ist ganz schlicht und die Häuser unterscheiden sich in nichts von denen anderer Dörfer in dieser Landschaft. Aber schon die junge Zschopau ist´s hier, die am Ortseingang eine wundersame heimatliche Melodie rauscht. Schmiede und Postagentur liegen sich gegenüber. Dort gibt´s „Materialwaren und Kohle” und da hängt eine lichtgrüne Bluse auf der Leine. Zwischen manchem Fachwerk blättert der Putz ab. Durch die Felder über Dörfel hinüber nach Annaberg quert der Kirchsteig. Traulichen Blickpunkt im Dorfe bildet die Schule mit ihrem Uhrentürmchen. Giebel und Turm tragen Schieferbehang. Hellbraunes Fachwerkgebälk kreuzt durchs Gemäuer des Schulgebäudes. Buben und Mädel gehen alle Tage am einfachen Weltkriegsmal vorüber, dessen Stein und Namen fast unter wucherndem Blattwerk verschwinden. Vor der Schule ist der rechte Platz für diese stille Mahnung deutscher Väter und Brüder, alles für Volk und Vaterland einzusetzen.

Drunten im Zschopautal hat die Ortsgemarkung eine Höhe von 520 Meter. Die höchste Stelle in ihr ist der Hundsrück mit 712 Meter. Zwischen die beiden Punkte erstreckt sich die 1258 Hektar weite Dorfflur, 3,5 Kilometer lang, von 1136 Menschen bewohnt. Wieder begegnet uns die gesunde wirtschaftliche Mengung von Ackerbau und Industriearbeit. Das von dem Meißner Burggrafen Hermann I. gegründete Gemeinwesen führt zu Recht eine Kornähre im Bildsiegel, hat es doch bei 65 Landwirtschaften allein 57 Erbhöfe. Dazwischen stehen Posamentenfabriken und Strickereien. Die Eisenbahnhaltestelle Hermannsdorf liegt auf Elterleiner Flur. In der einheimischen Industrie können natürlich längst nicht alle Hermannsdorfer beschäftigt werden.

(Fortsetzung folgt.)