Wer kennt seine Heimat genau?

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 28, 11. Juli 1926, S. 5

Wo war das? Erläuterung zu dem Bild der letzten Nummer.

Das alte Stadtgut, wie es sich als Nr. 24 ungefähr von der „Pforte“ und im heutigen Ergänzungsbild vom Schutzteichpavillon aus gesehen zeigt, umfaßte mit dem Steigerturm der Feuerwehr das Terrain, auf dem heute die Häuser Lindenstraße 51-59, Pöhlbergstraße 1 und 3 und zum Teil des Schillerplatzes stehen. Es wurde nach Fertigstellung des städtischen Bauhofs, Pöhlbergstraße 4, kurz vor Ausbruch des Weltkrieges mitsamt der dahinter liegenden Drehbahn abgetragen. Ueber seine Erbauung ist nichts Genaueres zu ermitteln; noch in einem Vermögensverzeichnisse der Stadt aus der Zeit um 1830 wird es als Köhler’sches Gut bezeichnet.

Ergänzung zu Bild 24.

Von Jugenderinnerungen plaudert ein Leser des I.E.S. und schreibt uns:

Alte Erinnerungen aus meiner Kindheit wurden wach, als ich das Bild Nr. 24 in der Illustrierten Beilage „Erzgebirgisches Sonntagsblatt” erblickte.

Das betr. Bild stellt das alte Stadtgut dar. Im Vordergrund ist der Schutzteich mit seiner Weißdornhecke. Das Vordergebäude diente als Wohnhaus, im Parterre wohnte Herr Straßenmeister Ludwig und das Obergeschoß bewohnte die Familie May, Kutscher des Stadtfuhrwerkes. Im Seitengebäude war der Stall, das Baugeräte und die Zimmerwerkstatt der Stadt untergebracht.

Links im Vordergrund ist die nach dem früheren Besitzer Anton Riegel genannte Riegelscheune, der dahinter sichtbare schwarze Giebel ist die Scheune der Stadtbrauerei. Im Hintergrund befindet sich das sogenannte „Gehängten-Häusl”. In meiner Kindheit pflegte ich den Verkehr mit dem Sohn des Kutschers May und es ist mir noch sehr gut erinnerlich, daß dieses Häuschen von den Kindern mit einer gewissen Scheu gemieden wurde. Ich glaube, es wurden darin die Entleibten bis zu ihrer Beerdigung untergebracht. An der hinteren Front dieses gemiedenen Häuschens erfreuten sich ein paar riesige Stachelbeersträucher ihres Daseins. Die schönen Beeren kamen infolge ihres gemiedenen Platzes zur vollen Reife und waren für uns, nach durchkriechen des hinteren Zaunes, eine willkommene Beute.

Für uns war das Stadtgutgrundstück oft Tummelplatz schöner Kindheitstage; wenn wir zu toll wurden, jagte uns Herr Straßenmeister Ludwig mit strenger Miene zum Tore hinaus.

Ich habe bis jetzt immer mit Freude und Erwartung Ihre Bilder verfolgt. Es wurden so viel schöne Erinnerungen froher Kindertage wach!

Wo war das? Bild Nr. 25
(Mildenau)
Wo war das? Bild Nr. 26