Wer kennt seine Heimat genau?

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 37, 12. September 1926, S. 5

Wo war das? Erläuterung zu dem Bild der letzten Nummer.

Zur Erläuterung des Bildes Nr. 38 geben wir am besten nachstehenden Bericht aus dem „Annaberger Wochenblatt” vom 13. September 1892:

„Von einem schweren Brandunglück ist heute Vormittag unsere obere Stadt heimgesucht worden. Es war wenige Minuten vor 9 Uhr, als die Sturmsignale ertönten und Feuer in der Kartengasse anzeigten. Der Brand war in einer Dachkammer des Herrn Tischlermeister Heß gehörigen Hauses zum Ausbruch gekommen und verbreitete sich mit rapider Geschwindigkeit nicht nur über das ganze Gebäude, sondern auch über die Nachbargrundstücke, welche den Wilhelmi’schen Erben, Herrn Posamentenverleger Kettmann und Herrn Bäckermeister Graupner gehören. Binnen kaum einer Viertelstunde standen alle vier Häuser in hellen Flammen, so daß an eine Rettung derselben nicht zu denken war. Gegen ½ 10 Uhr ergriff das Feuer auch noch das gegenüberliegende Haus des Herrn Groschupp, doch fiel von denselben nur ein Teil des Dachstuhles den Flammen zum Opfer. Unsere Pflichtfeuerwehr war einige Minuten nach Ausbruch auf dem Brandplatze, wo es vor allem galt, die Nachbargrundstücke der Herren Ruther & Einenkel, Fischer, sowie das unmittelbar gegenüberliegende Restaurant „Sedan” zu retten. Den heldenmütigen Leistungen der Feuerwehr gelang es denn auch, das Feuer auf die zuerst ergriffenen Gebäude zu beschränken und unsere Stadt vor einem Brandunglück ähnlich wie in Eibenstock zu bewahren. Die Häuser waren von zahlreichen, zum Teil armen Familien bewohnt, welche nunmehr obdachlos sind. Gerettet wurde, da opferwillige Helfer von Beginn des Brandes an zahlreich zur Stelle waren, ziemlich viel, doch dürfte allein der Mobiliarschaden immerhin ein ziemlich beträchtlicher sein. Ueber die Entstehungsursache sind bislang nur Vermutungen laut geworden; der auf dem Brandplatze laut gewordene Verdacht, daß eine ältere Frau das Feuer angelegt oder verwahrlost habe, hat sich dem Vernehmen nach nicht bestätigt. Von auswärtigen Feuerwehren waren die Spritzen von Frohnau und Kleinrückerswalde zuerst und zu gleicher Zeit am Platze, kurz darauf trafen auch die Wehren von Buchholz, Mildenau, Geyersdorf und Wiesa ein. Wie wir noch kurz vor Schluß der Redaktion erfahren, hat die vorläufige Feststellung ergeben, daß in den abgebrannten Gebäuden 21 Familien mit 75 Köpfen gewohnt haben.”

Wo war das? Bild Nr. 39

Historisches von der Kahrig-Fabrik in Cunersdorf

Zu unseren Ausführungen über das Rundfragebild Nr. 37 teilt ein Leser noch folgendes mit:

An Stelle der niedergebrannten Fabrik stand bis 1842 die sogenannte alte Adelmühle, worin Kahrig sich mit einer Spinnmaschine selbständig machte, nachdem er bis dahin als Spinnereiarbeiter bei der Firma Naumann in Schlettau gearbeitet hatte. Als Bleiche für seine hergestellten Garne benutzte Kahrig die der jetzigen Stadtbrauerei gegenüber gelegene Wiese. Kahrigs Wohnhaus befand sich in Buchholz, Karlsbader Str. 98, jetzt Herrn Posamentiermeister Mitte gehörig. Dort befand sich damals ein Laden, worin Kahrig seine Erzeugnisse (Garne, Zwirne) verkaufte. Die Fabrikation muß überaus lohnend gewesen sein. Nach wenigen Jahren, 1842, erbaute Kahrig die im Bilde Nr. 37 wiedergegebene Fabrik und zwar dergestalt, daß die Adelmühle mit eingebaut wurde und so die Fabrikation nicht unterbrochen zu werden brauchte. Die Wohlhabenheit des Kahrig spiegelt sich auch darin, daß er nach und nach fast alles umliegende Gelände aufkaufte. Auch die große Wiese, welche jetzt von der neuen Dorfstraße zu Cunersdorf durchschnitten wird, erwarb er sich vom Erbgericht Cunersdorf. Kahrig ist vor 70 Jahren gestorben, seine Beerdigung fand auf dem damaligen Friedhof an der Hauptkirche zu Buchholz statt. Der Betrieb wurde von seinen drei Schwiegersöhnen, zuletzt von Herrn Drechsler, weitergeführt. Dieser verstarb Anfang der 80er Jahre. Die Fabrikation kam zum Stillstand, weil man mit der Konkurrenz, besonders England, nicht mehr mitkam. Wahrscheinlich lag dies am Mangel neuzeitlicher Maschinen. Die Fabrik ging durch Kauf in den Besitz eines Chemnitzer Fabrikanten über, doch der Betrieb ist nicht wieder zum Leben erwacht. Bis zum Brande, Mitte 1913, wurden einige Säle mietweise zur Schnurenfabrikation von der Firma Fritz Gruß benutzt.

Wo war das? Bild Nr. 40