Wie schmückt man den Weihnachtsbaum?

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt 127. Jahrgang, Nr. 51, 17. Dezember 1933, S. 1-2

Wenn alles im Hause fertig ist, kommt der Weihnachtsbaum an die Reihe, aber es ist doch anzuraten, daß man ihn stets am Tage vor dem Heiligen Abend fertig macht, denn am 24. Dezember ist fast immer noch alles möglich zu tun, so gut man auch vorgearbeitet hat, und das Schmücken des Weihnachtsbaums ist etwas, was man so recht mit Muße und Hingabe machen soll.

Viele lieben es, einen Baum aufzustellen, der vom Boden bis an die Decke reicht, und es läßt sich nicht leugnen, daß eine so große Weihnachtstanne eine Fülle von Duft mit in die Stube bringt. Aber wenn der große Baum wirklich schön sein soll, braucht man auch eine Menge Kerzen, wodurch er sich nicht billig stellt. Wer es sich leisten kann, soll es ja tun. Wer über schmale Kasse verfügt, wird lieber einen kleineren Baum wählen, der auf einen niedrigen Tisch gestellt wird, den man aber reich mit Kerzen bestecken kann. Auch ist es in einem Haushalt mit Kindern richtiger, keinen Baum zu haben, der auf dem Boden steht; die Kleinen können sonst zu leicht Unheil anrichten und sich selber Schaden zufügen. Natürlich muß es ein fester Tisch sein, der wirklich unerschütterlich auf seinen Beinen steht.

Beim Schmücken des Baumes wird man unterscheiden, ob der Baum hauptsächlich dafür bestimmt ist, Kindergemüter zu erfreuen, oder ob er nur dazu dient, Erwachsenen eine stimmungsvolle Weihnachtsfeier bereiten zu helfen. Denn die Kinderaugen wollen einen bunten Baum sehen! Das Entzücken, wenn rote, blaue, goldene, silberne, grüne Kugeln im dunklen Grün aufleuchten, wenn es am Weihnachtsbaum etwas „zu sehen” gibt, kennt wohl jeder Mensch aus seiner Kindheit, und es bildet sich eine geheime Beziehung zwischen dem Kinde und all den Sachen, die am Weihnachtsbaum hängen. Deshalb soll man sie sorgfältig aufbewahren. Das Kind legt Wert darauf, die ganz bestimmten Kugeln jedes Jahr wieder am Weihnachtsbaum zu sehen, und es ist sehr traurig, wenn einmal ein Stück zerbricht. Selbst wenn den Augen des Erwachsenen die Zierate nicht mehr ganz einwandfrei erscheinen, wenn das Silber braun und blind geworden und die Kugeln mit Stearinflecken überzogen sind, jubelt das Kind doch hell auf, wenn es die alten Bekannten von früher wieder sieht. Und oft hat es besondere Freunde, das Rehlein aus Silberpappe, die fliegende Taube aus Watte … ja, welche neuen, glänzenden Kugeln könnten diese ehrwürdigen, einfachen Stücke ersetzen? Und es bleibt nichts übrig, als daß die Großen sich ein paar Tage vor dem Fest hinsetzen und mit Farbe, Leim und Pinsel die Schäden ausbessern und das Zerbrochene so gut es geht wieder flicken. Wenn die Kinder helfen dürfen, Nüsse mit Schaumgold zu überziehen und Ketten aus Silberpapier zu schneiden, so sind sie überglücklich, das ist ihnen, als dürften sie in der Werkstatt des Weihnachtsmanns mittun, und wenn im Kerzenschimmer das Werk ihrer Hände dann herrlich strahlt, fühlen sie einen geheimen, süßen Stolz.

Ein Kinder-Tannenbaum muß auch mit Süßigkeiten behängt werden. Er soll für die Kinder nicht nur zum Ansehen da sein, sondern sie müssen in ihm den guten Freund haben, der ihnen hier und da eine Süßigkeit schenkt. Mögen wir Großen auch finden, daß die Schokolade am Weihnachtsbaum trocken und geschmacklos wird, — dem Kinde schmeckt sie noch einmal so gut wie aus der schönsten Konfektschachtel, denn sie steht unmittelbar mit Weihnachten, dem schönsten Fest, in Verbindung.

Bei dem Tannenbaum für die Kinder also muß man seine Schönheitsgefühle ein wenig beiseite setzen. Es kommt darauf an, daß er glitzert und bunt ist und allerhand geheimnisvolle Süßigkeiten in bunten Papieren an seinen Zweigen trägt!

Die Erwachsenen wollen ihren Baum in Silber und Weiß sehen. Weiße Kerzen in großer Zahl, dazu ein paar feine, schwere Lamettafäden, die geheimnisvoll aus dem Dunkel der Zweige schimmern. Sehr feierlich sieht ein solcher Baum aus. Schmückt man ihn mit Silberkugeln, so wird er dadurch etwas weltlicher, aber die Einheitlichkeit eines solchen Baumes wird gewahrt. Es gibt auch sonst noch allerlei Schmuck, der für diesen auf Schönheit abgestimmten Baum möglich ist: Eiszapfen aus Lametta, Tannenzapfen, die mit Schneekristallen überzogen sind, Schneebälle und ähnliches.

Wenn man echte Wachskerzen nimmt, wird der Duft in den Weihnachtstagen der schönste und festlichste Genuß sein.

Beim Schmücken des Baumes muß man viel Sorgfalt anwenden, denn natürlich müssen die Kerzen in einer gewissen Ordnung angebracht werden. Man bevorzugt heute die Kerzenhalter, die unmittelbar am Stamm befestigt werden, aber auch sonst gibt es verschiedene neue Erfindungen in Lichthaltern, die die Sicherheit geben, daß die Kerzen gerade stehen und auch richtig zu Ende brennen können, so daß sie von selber erlöschen. Man muß nur acht geben, daß man die Kerzen niemals so aufsteckt, daß sie sich etwa unmittelbar unter einem Zweig befinden, sondern sie müssen genügend Raum um sich herum haben. Denn nichts stört die Stimmung mehr, als wenn man immer in der Sorge sein muß: ob der Baum etwa an irgend einer Stelle anbrennt. Viele der häufigen Baumbrände würden sich vermeiden lassen, wenn der Schmückende die nötige Sorgfalt aufgewandt und den Baum nicht gedankenlos geschmückt hätte.

Erna Herford.