Die Neujahrs-Gratulanten.

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt 121. Jahrgang Nr. 1 vom 1. Januar 1928. S. 4.

Schilderung der früher in Annaberg üblichen „Neujahrsumgänge”.

Ein Zeitgedicht aus dem Nachlasse des am 17. März 1821 verstorbenen Annaberger Naturdichters und Kürschnermeisters Johann Gottlieb Grund.

Nun kommt das liebe neue Jahr,
Des freut sich eine ganze Schar,
Gehn gratulier’n zu Reich und Arm,
Daß mancher spricht: „Daß Gott erbarm‘.”

Die Schüler singen nicht allein:
„Nun laßt uns Alle fröhlich sein;”
Der Kirchner tut’s uns schriftlich sagen,
Was sich das Jahr hat zugetragen.

Der Musikus bläst Haus für Haus
Die Nahrungssorgen alle ‚raus,
Sogar, daß auch die Kinderlein
Vor Freuden springen hinterdrein.

Der Türmer ‚runter sich bemüht
Mit dem, der mit die Glocken zieht.
Tut mit der Trompete gratulieren
Und sollt er’s Herz im Leib erfrieren.

Der Ratsdiener verläßt die Obrigkeit
Und gratuliert zur neuen Zeit;
Dem folgt Marktmeister von der Stadt,
Der auch den Mund voll Wünsche hat.

Der Gerichtsfron geht vor’m Jahresschluß
Mit seinem treuen Famulus
Und gratulier’n bei guter Zeit,
Eh‘ Mangel und Ungeduld einreißt.

Die Wächter, die die ganze Nacht
Uns in dem alten Jahr bewacht,
Tun uns mit ihrem Wunsch erfreun;
Es wird doch nicht ihr Schaden sein.

Auch wünscht uns Glück der Wassermann
Von Grund der Seel‘, so gut er’s kann;
Und die, die ihm die Hacken tragen,
Die wünschen viel, tun wenig sagen.

Der Herr, der läßt aus seinem Haus
Die sieben schwarzen Geister ‚raus,
Die gratulier’n den Großen allein,
Weil sie noch weiß und reinlich sein.

Nun kommt der kleinen Quäker 1) Schar,
Singen lieblich uns zum neuen Jahr.
Sie schreien, was das Zeug nur hält,
Und kriegen immer ’s wenigste Geld.

Vor Freuden uns das Herze lacht,
Daß sich der Stadtvoigt auch aufmacht
Und gratuliert zur neuen Zeit
Der von uns führt die Bettelleut.

Endlich erfreut uns auch der Weck, 2)
Der ist gerannt durch Schnee und Dreck,
Der gratulieret Haus vor Haus,
Geschwind ist er zum Tore ’naus.

Die bösen Weiber in der Stadt,
Die kriegen bald ihr Wünschen satt,
Die aber, die die Männer schicken,
Wünschen, es möchte ihn‘ recht glücken.

Wer da nicht wollte fröhlich sein,
Der muß gar nicht bei Gelde sein,
Sonst wär‘ es ja Unmöglichkeit,
Daß ihn ihr Wünschen nicht erfreut.

Solch‘ heilig‘ Wünschen und Bemühen,
Bringt nur allein den Segen ihnen,
Sonst empfind’t Rat und Bürgerschaft
Im Beutel nur des Wünschens Kraft.

—cj—

1) Kurrendaner.
2) August Weck; vergleiche Illustriertes „Erzgebirgisches Sonntagsblatt” Nr. 48 vom 28.11.1926, Seite 5.