Ein verdienter Heimatforscher.

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt Nr. 5 / 120. Jahrgang 1927. S. 5 – 6.

Oberlehrer Hermann Julius Lungwitz wurde am 12. Juli 1845 in Bärwalde geboren. Bald nach der Geburt siedelten die Eltern nach Erlau bei Mittweida über, wo der Vater ein Gut besaß. Den ersten Unterricht empfing der Knabe bei dem alten Pfarrer Türk in Erlau, dessen Name noch heute in der Gemeinde fortlebt.

Hermann Lungwitz

Lungwitz besuchte dann die Realschule in Chemnitz und wurde auf dem Seminar in Waldenburg für den Lehrerberuf vorbereitet. Nach Beendigung seiner Hilfslehrerzeit in Hohenstein-Ernstthal begab sich der junge, von hohen Zielen erfüllte Lehrer zunächst nach Lausanne, um dort seine Kenntnisse in der französischen Sprache zu vervollständigen. In Brienz in der Schweiz war er hierauf 2½ Jahre als Hauslehrer tätig. Nachdem er für kurze Zeit in die Heimat zurückgekehrt und in Pegau als Lehrer tätig gewesen war, nahm er eine Anstellung an der damaligen Deutschen Schule in Neapel an, wo er 5 Jahre lang wirkte. In dieser Zeit setzte er sich mit ganzer Kraft für das Deutschtum im Auslande ein. Schon damals betätigte er sich als Berichterstatter für Deutsche Zeitungen. Da er der Entwicklung des deutschen Zeitungswesens großes Interesse entgegenbrachte, entschloß er sich, vorübergehend aus dem Schuldienst auszuscheiden und zwei weitere Jahre in Neapel zu verbleiben, um sich ausschließlich der Berichterstattung und literarischen Arbeiten zu widmen. Um jene Zeit erschienen auch seine ersten Übersetzungen großer italienischer Dichter. Vor allen Dingen beschäftigte er sich mit Pietro Cossa, dessen berühmtes Bühnenwerk „Plautus und sein Jahrhundert” er verdeutschte. Nachdem Lungwitz wiederum in den Schuldienst eingetreten und kurze Zeit am Plauener Gymnasium tätig gewesen war, trieb ihn der Wandertrieb nochmals nach Italien, wo er in Bergamo wiederum als deutscher Lehrer tätig war.

Endgültig in die Heimat zurückgekehrt, wirkte er zunächst in Chemnitz und seit 1882 in Geyer an der dortigen Bürgerschule. Im Jahre 1896 beteiligte er sich an der Gründung der rühmlichst bekannten Geyerschen Beamtenschule, an der er auch nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit an der Bürgerschule noch bis in sein hohes Alter hinein als Lehrer tätig war. Als es ihm vergönnt war, im Jahre 1925 seinen 80. Geburtstag zu feiern, gingen ihm auch aus den Kreisen seiner ehemaligen Beamtenschüler reiche Beweise der Verehrung und Anhänglichkeit zu.

Als Erforscher der heimatlichen Geschichte ist Lungwitz in weiten Kreisen bekannt geworden. Er schrieb: Die Geschichte des Rittergutes Tannenberg, Altes und Neues über Karl Stülpner, eine Volksschrift, die fünf Auflagen erlebte, zahlreiche Beiträge zu den Bunten Bildern aus dem Sachsenlande, Beiträge in Daheim, Velhagen und Klasings Monatsheften und lieferte dem Archiv für Sächsische Geschichte (Altertumsverein in Dresden, dessen Mitglied er ist) wertvolle Arbeiten.

Im „Glück auf” sind folgende Aufsätze von ihm erschienen, die sein Arbeitsfeld am besten beleuchten: Zwei lange Schichten. 1896 – Bad Hohenstein. 1901 – Wild und Jagden im sächsischen Erzgebirge. 1912 – Altzinn in der Chemnitzer Ausstellung für Haus und Herd. 1912 – Die Altenberger Zinnmanufaktur auf der Ausstellung für Haus und Herd in Chemnitz. 1912 – Evan Evans zur Hundertjahrfeier. 1912 – Münzen und erzgebirgische Münzstätten. 1913 – Vor 100 Jahren. 1913 – Erzgebirgische Schützen und ihre Feste. 1914 – Der jüngste Held aus dem Hause Schönburg-Waldenburg. 1914 – Weihnachten. Erinnerung 1914.

Hervorragende Verdienste hat sich Lungwitz vor allem auch auf dem Gebiete der Zinnforschung erworben. Er gilt hier direkt als Autorität. 1917 erschien seine Schrift: Edelzinn in Privatbesitz. — Als die Bewegung der Volkshochschule aufkam, schloß sich Lungwitz trotz seines hohen Alters warmen Herzens dieser Bewegung an und hielt eine große Reihe von Vorträgen an der Chemnitzer Volkshochschule.

Jahrelang war Lungwitz für verschiedene Tageszeitungen tätig und auch unserer Zeitung ein wertgeschätzter Mitarbeiter.

Wie sich Lungwitz‘ geistige Regsamkeit schon durch den damals ungewöhnlichen und seltenen Schritt zu erkennen gab, in der Schweiz der französischen Sprache mächtig zu werden, so trieb ihn sein regsamer Geist, als er nach den Wanderjahren in Geyer seßhaft geworden war, zur Erforschung unserer Heimat und zur Sammlung deren Werte. Hierbei und durch seine tiefschürfenden Schriften hat er sich bleibende Verdienste erworben. Auf seine Arbeiten werden auch die späteren Generationen zurückgreifen. In ihnen hat er sich selbst ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Möge dem verdienten Heimatfreund ein weiterer gesegneter Lebensabend beschieden sein.