Buchholz vor 30 Jahren.

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 32, 8. August 1926, S. 1

Das vorstehende Panorama von Buchholz aus der Vogelschau (wie viele andere Heimatbilder von dem verstorbenen Lithographen Julius Wagner gezeichnet) führt uns zurück etwa in die Mitte der 1890er Jahre. Wer seit jener Zeit seinen Fuß nicht in unsere Nachbarstadt gesetzt hat, wird angenehm überrascht sein von vielem Neuen, das ihm in ein Äußeren der Stadt entgegentritt.

Schon die Zugänge von Süden (Bahnhof), von Westen (Schlettau) und besonders von Norden (Annaberg) haben sich wesentlich verändert. Die das Tal in weiten, hohen Bogen überspannende Brücke, welche den Hauptzugang zur Stadt von Norden her bildet, ist 1898 nach Süden zu verbreitert, mit schönem Eisengeländer und breitem Granitplatten-Fußweg versehen worden.

Rechts unten auf dem Bilde lenkt der völlig veränderte Blick am Eingang der Stadt das Auge der Kommenden auf sich, wie er durch den Bau der Talstraße (1893-1894) entstanden ist.

Verändert hat sich auch das (auf der Zeichnung nicht sichtbare) Bild, das von der Brücke nach Norden sich dem Auge bietet. Unten im Grunde ruht der 1894 angelegte Waldschlößchenteich, in dem die Wölbungen der Brücke, die Berghänge, die ihn umschließen, mit ihren Häusern und Gärten sich spiegeln, in dessen klarem Wasser sich Mengen von Goldfischen tummeln und aus dessen Mitte bei Sonnenschein im Regenbogenglanze funkelnd, sich die Fontaine bis 30 m Höhe erhebt. Das alte Waldschlößchen (1892 abgebrannt) und, weiter vorn auf dem Plateau, die Bach’sche Sommerwohnung (als Restaurant 1896 abgebrannt) findet das Auge nicht mehr; an Stelle der letzteren erblickt es jedoch das 1896/97 erbaute schmucke neue Waldschlößchen.

Auch in der Stadt ist vieles für die Bewohner angenehmer geworden. Wohl finden wir die Mehrzahl der Straßen noch chaussiert, doch sehen wir sie in bestem Zustande. Wer jetzt die Stadt kennen lernen will, hat zum Teil längere und der Zahl nach mehr Straßen zu durchwandern, als dies vor 30 Jahren der Fall war; denn die Stadt hat sich ausgebreitet und zwar am östlichen Talabhange nach Annaberg zu – Kaiser-, König-, Bismarckstraße sind hauptsächlich in den Jahren 1882-1900 bebaut worden -; sie ist gewachsen oben im Nordwesten, an und in der Nähe der Straße nach Schlettau, und im Süden durch die Vergrößerung des Bahnhofs, den Schlachthofbau und die Anlegung der Südstraße. Unter den neuen Straßen ist die bedeutendste die am rechten Sehmaufer entlang führende Talstraße, die wie sie am Südeingange der Stadt selbst auf einer Brücke die Sehma überschreitet durch vier Brücken und zwei Stege mit der Stadt verbunden wird. – Der Marktplatz wurde 1889-1890 geebnet, indem man an der Ost- und Nordseite desselben Mauern aufführte, Schutt und Erde aufschüttete und mit Zugangstreppe versah. Der Schießhausplatz, der zugleich vergrößert ward, wurde 1895 durch Aufschütten von Erde ebengelegt, die man durch Abgraben der südlich vom Schießhause gelegenen Halden gewann. Die vom Kirchplatze und der Schulgasse abwärtsführenden Treppen sind in praktischer Weise erneuert worden. Vor allem jedoch gewann die Karlsbader Straße, die Hauptverkehrsader der Stadt, die von der Stadt 1892 vom Fiskus übernommen wurde, durch Niederlegen zweier Häuser, die dort die Karlsbader Straße einengten, wo jetzt das Postgebäude sich erhebt, und weiter hinten einiger anderer Häuser, sowie durch teilweises Niederreißen der Antritte vor den Häusern erfuhr sie an ihren schmalsten Stellen ansehnliche Verbreiterung. Ferner wurde wegen Durchführung der Talstraße das an der Karlsbader Straße gelegene, 1886 vom Stadtrate erworbene Chausseehaus 1893 abgetragen; ebenso das der vorderen Brücke gegenüberliegende Anton Vogel’sche Haus an der Talstraße.

Nicht bloß an den neuen, auch an den alten Straßen erblicken wir eine Menge neuer Gebäude, fast alle, wenn nicht seitlich, doch an der Rückseite mit einem Garten begrenzt. Sie sind vielfach Rohbauten, aufgeführt in geschmackvollem Stil aus hartgebrannten roten, gelben oder mehrfarbigen Ziegeln und Sandstein, die doppelt freundlich erscheinen mit ihrem Dache von dunkelblauem Schiefer, der von dem Grau der alten Schieferdächer sich lebhaft abhebt. Selbst Fabrikgebäude sind vielfach nicht in dem üblichen kahlen, frostigen Stil errichtet und gereichen in ihrer Gestalt dem Orte zur Zierde.

An öffentlichen Gebäuden wurden errichtet, nachdem 1875-1877 der Um- und Ausbau der Katharinenkirche sich vollzogen hatte, 1882-1883 die oberhalb der Kirche stehende neue Schule, welche 1893-1894 in ihrem südlichen Flügel einen Anbau erhielt, das Wasserhebewerk (1893), das Stadtkrankenhaus (1898-1899), das Postgebäude (1899-1900). Umgebaut und vergrößert wurde 1900 das Rathaus. Später erfolgte der Bau eines Schlachthofes und der Annaberg-Buchholzer Posamentenfachschule. – 1895 entstand die neue Schießhalle in der Nähe des Waldes, links von der Schlettauer Straße, und im gleichen Jahre die Turnhalle des Turnvereins „Frisch-Frei”, während die des Männerturnvereins im Jahre 1897 erbaut wurde. 1898 fand die Errichtung des Evang. Vereinshauses statt. Erwähnt sei schließlich der Bau des Hotels „Deutscher Kaiser”, an Stelle des am 24. Juli 1893 abgebrannten Schießhauses gelegen, und des Hotels „Deutsches Haus” (1880). –

So zeigt die Stadt Buchholz schon in ihrem Äußeren, daß sie nicht still gestanden hat, sondern vielmehr zu den rüstig vorwärtsschreitenden Städten zählt. Möge sie weiter blühen und gedeihen!

– m – (nach Bartsch.)