Der Kaffee.

Eine besinnliche Betrachtung von Eduard Hlawaty.

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt 132. Jahrgang Nr. 3 vom 15. Januar 1939. S. 6 – 7.

Bei uns zu Hause war das Kaffeetrinken eine Gewohnheit. Zunächst eine des Geschmackes, die zwar dem bekannten Übel der Not entsprang, sich jedoch zu steigernder Lebenslust, ja fast zum einzigen Lebenserhalter formte. Heute noch habe ich die Bilder einzelner Szenen aus dem Leben unserer Familie in mir und hole sie zur Illustrierung eines Gespräches oft hervor. Die Mutter stand des Tags mehrere Male beim Ofen und wand mühevoll den Kaffeesack, die sogenannte Satzwurst, aus, denn wir heranwachsenden Söhne waren zu jeder Tageszeit zur Einnahme eines Kaffees bereit. Das Frühstück bildete nur das erste Mal dieses Mahls. Soviel mir der erinnernde Gaumen bestätigt, war ein solcher Kaffee nur bei Muttern zu haben. Ein „Heferl“ war uns Kampeln, wie uns der Vater mit Stolz und Freude nannte, meist zu wenig. Zudem meisterte der Vater selbst ihrer drei. Wir tranken gemeinsam Kaffee. Bei Zeitmangel auch einzeln. Wir tranken, um Durst zu stillen, um uns einzuwärmen; hie und da auch als Mahlzeitenersatz. Die verschiedensten Motive zwangen zu einem Kaffeetrunk: teils um von einem peinlichen Gedanken loszukommen, also aus Ärger oder Gram, teils um ein freudiges Ereignis zu feiern. Und schädlich? Ach, schädlich war so ein Kaffee keineswegs. Meist verdiente er den klangvollen Namen gar nicht. Er glich mehr einem Gersten-, Korn- oder Malzbräu und war daher durchaus gesund.

War die Mutter im Zweifel darüber, was mittags aufgetragen werden sollte, so war ihr ein guter Kaffee mit Buchteln oder Kuchen immer der glücklichste, willkommenste und vorteilhafteste Ausweg. Zweimal zu einer Mahlzeit Kaffee zu kochen, war keine Seltenheit. Löste das aufgetragene Mittagessen nicht gerade Begeisterung aus, oder — was noch öfter zutraf — langten die Portionen nicht zu für die siebenköpfige Familie, dann rettete ein Griff zur Kaffeekanne die Notlage. Als Gastmahl wurde überhaupt nichts anderes als ein Kaffee „mit oder ohne“ vorgesetzt. Und allen mundete das Hausgetränk ganz vorzüglich; nicht zu heiß, doch schön warm, der eine bitter, der andere süß, einer weiß das Familienoberhaupt meist schwarz, kurz, der Kaffee wurde in allen Abarten getrunken, als Nachtisch, als Trostgetränk in den traurigen Stunden des großen Krieges. Das gemeinsame Getränk verband alle und schuf immer ein friedliches Familienbild. Namentlich des Abends, wenn alle Angehörigen um den frisch dampfenden Kaffeetopf in gleichem Wollen einträchtig versammelt saßen und Erlebnisse des Tages freudig austauschten. Da spürte jeder tief den Segen der sorgenden Mutter, die immer und immer wieder zugoß. Sie wußte, womit sie jeden zufriedenstellte, da doch keiner anspruchsvoll und auch der Letzte beim Kaffeetopf noch glücklich war.

Diese Erinnerungen zeigen mir stets, wie wenig unser Leben — hier versteht sich nur das leibliche Wohl — braucht: nicht Leckerbissen, nicht die sonderbarsten Gerichte vom Besten müssen es sein. Das Leben geht auch einfacher mit uns dahin. Wichtiger ist die Verfassung und Einstimmung des Geistes, der gute Wille zur Zufriedenheit, das Einverständnis mit dem Gegebenen. Dann gestaltet auch die Dürftigkeit, mit der die geschilderte Kaffeesitte in unserem Familienleben Hand in Hand ging, frohe Menschen.