Mit offenen Augen durch die Heimat.

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt Nr. 18, 132. Jahrgang, 30. April 1939, S. 6-7.

Plaudereien von Johannes Blochberger.

(1. Fortsetzung.)

Wie seßhaft der Eingeborene auf seiner erzgebirgischen Erde ist, beweist die Zahl der Erbhofbauern. Von 29 Landwirtschaften sind allein 26 Erbhöfe. Es sind nicht zu viele Menschen, die das Dorf beherbergt. Etwa 830 sind’s. Neben denen, die sich um Grund und Boden mühen, schaffen andere in Sägewerk und Holzstoff- und Pappenfabriken. Das Zschopautal ist an der Stelle, wo Wolkensteiner- und Schönbrunner Flur sich treffen, erfüllt von rastlosem Schaffen, und wenn die Schönbrunner Mädchen zur Wolkensteiner Klöppelschule hinaufpilgern, gehen sie immer durch jenen Bezirk des industriellen Fleißes, der sich um ihr Dorfende ausbreitet.

Manches Interesse wird Lehrer Schimpf in der Schönbrunner Ortsgeschichte festhalten können. Das Schönste aber, so deucht es wenigstens uns, sind bei diesem Dorfe seine Lage in anmutiger Landschaft und der herrliche Ausblick von seinen höheren Punkten hinüber zum hochgebauten Wolkenstein, das freundlich und vertraut über das Zschopautal herübergrüßt. Und das eine wissen wir ganz genau. Allein wegen dieses Blickes lieben wir Schönbrunn und deswegen sind wir immer und immer wieder gern in ihm…

Mittagsstunde in Geyersdorf.

Auf unserer bunten Erzgebirgskarte sehen die Serpentinen der durch Geyersdorf führenden Straße fast wie ein Korkzieher aus. Nun sind wir die Steigung aus dem tiefen Pöhlbachtal hochgeklettert und schauen uns nächst Rathaus und Kirche um. Es ist ein recht stattliches Gemeindeamt. Sein Uhrtürmchen zeigt zehn vor 12 Uhr. Prächtig ist der Ausblick zu Tal und hinaus weit über die östlichen Wälder. Der terrassenartige Vorbau mit den hübschen Kandelabern zeugt von besonders gutem Geschmack der Gestalter. Aus der Schule klingt froher Sang als jubelnder Abschluß des Vormittagsunterrichts. Man vermeint fast, die Freude der jungen Sänger darüber zu spüren, daß sie in wenigen Minuten zu Muttern eilen können … Es ist ganz nahe an 12 Uhr. Eine Frau eilt herbei und verschwindet in der Kirche. Ihr liegt das Mittagsläuten ob. Schon singts auf. Am Schultor wirds lebendig. In der Ferne summt eine Fabriksirene. Der Turm der Mildenauer Kirche schaut wie ein guter Freund zum kleinen schrägen Geyersdorfer Gottesacker still grüßend herüber. Sehr einfach nimmt sich das Geyersdorfer Kirchlein am Hang aus. Dicht bei ihm sind neben den Gräbern des Friedhofes noch andere geheiligte Stätten dieses 493 Hektar großen Dorfes im Schutze des gewaltig hochragenden Pöhlberges. Man liest am grauen stein: „Am 16. Juli 1870 wurden 18 Söhne aus der Gemeinde Geyersdorf zur Fahne gerufen und bis 5.November 1871 kehrten alle gesund zurück!” Daneben kündet ein anderer Stein von großen Opfern; im Weltkrieg blieben 65 Männer!

Die Kirche zu Geyersdorf mit dem 1925 geweihten Kriegerehrenmal.
(Aufn. A. Meiche-Annaberg – T. A. W.-Bilderdienst-Archiv.)

Die Mittagsstunde verstreut ihr Geläut und ihre Lebhaftigkeit über dem betriebsamen und so hübsch gelegenen Orte. Er zählt jetzt 1511 Einwohner. Einige Industrien halten einer ganzen Anzahl Volksgenossen ihre Betriebe zu emsigem Schaffen offen. Eine Posamentenfabrik als Zweigbetrieb eines Annaberger Werkes beschäftigt etwa hunderte Leute. Holzstoff- und Pappenherstellung sind in die Geyersdorfer Arbeitsgänge so eingeschaltet, daß man bei dieser Gemeinde von einer achtbaren industriellen Leistungsfähigkeit sprechen kann. Interessant ist das seit 1914 verwendete Bildsiegel der Gemeindeverwaltung, das in guter Prägung und recht klarer Form einen Geier auf scharfen Felszinnen zeigt …

Der KVG-Bus warnt hupend in einer der vielen Kurven im Orte. Wir besteigen ihn am Roten Gut und verlassen ihn siebzig Minuten darauf in der wohltuend leichten Luft Reitzenhains.

Die Heimat des Dresdner Kreuzschul-Kantors.

Das ist das erzgebirgische Dörfchen Mauersberg, dessen Bahnstation zwar „Großrückerswalde” im Preßnitztale heißt, aber voll und ganz auf Mauersberger Flur liegt. Sie ist fast 600 Hektar weit und beherbergt 1030 Einwohner. Wer vom Bahnhof aus hinauf ins Dorf will, kürzt am besten über einen Steig, den Boden-Berg ab. Mit dem Kraftwagen muß man auf gemächlicher zur Höhe strebender Straße etwas umfahren. Bei Mauersberg, das seine fast vierzig Erbhöfe um die 1889 erneuerte Kirche schart, hat man’s mit einer sehr interessanten Siedlung zu tun. So ist sein Schnitzverein einer der besten im Erzgebirge. Prof. Rudolf Mauersberger ist geborener Mauersberger. Noch leben seine Mutter und Schwester hier. Der Vater war Oberlehrer und liegt auf dem Friedhof des Dorfes. Die Mauersberger Schnitzer und Bastler haben „ihrem Kantor” das ganze Dorf nach Dresden geschickt und damit ein gut Stück erzgebirgisches Gemüt und viel Heimatliebe. Heimatdorf in der Großstadt! Wieviel wird es einem Künstler und Lehrer wert sein, der sein Geburtsdorf über alles liebt? Es hat so seine eigenen Beziehungen zur Welt. Da gehen einmal die feinen Schnitzwerke, die Hirsche des Seilers und die Basteleien des Zimmermannes, die Vagabunden des Maurers und die Krippenfiguren des einarmigen Büroangestellten als Sendboten erzgebirgischer Feierabendkunst hinaus. Einer, der sonst als Zimmerling nur mit Balken, Hämmern und mehrzölligen Nägeln umgeht, schuf für unseren Gauleiter eine wunderbare Tischlampe.

In mehreren Stuben trafen wir Mutter und Tochter an kleinen Strumpfwirkmaschinen. Ihre Heimarbeit waren Soldatensocken. Eine Strumpffabrik am Orte beschäftigt etwa zehn Mädels im Betrieb und dreißig daheim. Die Beziehungen zur Außenwelt sind aber auch noch anderer Art. Fast dreihundert Mauersberger schaffen auswärts, in Chemnitz und Scharfenstein, in Annaberg, Auerbach, Hormersdorf und in der bedeutenden mechanischen Flachsspinnerei in Wiesenbad.

Noch liegt auf Mauersberger Flur ein stück unterirdischer Gang, wahrscheinlich aus Bergbauzeiten. In ihm soll auch Stülpner-Karl zeitweilig gehaust haben. Und drei Häuser sind als Heidehäuser Ortsteil für sich. Einige andere in Richtung Niederschmiedeberg gelegene heißen Hirschleite. So klein und bescheiden das Dorf auch ist, geschafft wird in ihm. Auch die Gemeindeverwaltung ist nicht müßig. Man hat einen großen Sportplatz gebaut, der gleichzeitig als Aufmarschgelände bei größeren Veranstaltungen dient. Eine geschlossene Siedlung ist geplant und auch der Ausbau der Dorfstraße in Richtung Arnsfeld ist vorgesehen. Wenn man die 1936 mit so gutem Erfolg aufgezogene letzte Schnitzausstellung wiederholen wird, dann ist auch die neue Schau ein Spiegelbild der bodenständigen Volkskunst, die uns die einfachen Arbeiter und Handwerker in der stillen Freude ihres gemüt- und sinnvollen Schaffens zeigt.

(Fortsetzung folgt.)